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Zeitdilatation (Zeitdehnung) auf der Erdoberfläche, im Flugzeug und auf der ISS

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Mathematik im Alltag, verblüffende Mathematik-Rätsel, Stochastik und Polyeder, irdisches und außerirdisches Leben


Zeitdilatation auf der Erdoberfläche

Für einen Menschen auf der Erdoberfläche wird die Zeit durch zwei Effekte gedehnt.

Der erste Effekt ist die Erdrotation. Die Erde dreht sich in etwa 23 Stunden und 56 Minuten um sich selbst.
Dadurch bewegt sich die Erdoberfläche und damit auch ein auf der Erdoberfläche stehender Mensch.

Für einen am Äquator stehenden Menschen beträgt die mit dieser Bewegung verbundene Geschwindigkeit v:

v = 2 · pi · r / T = 2 · 3,141593 · 6.378.000 m / 86.160 s = 465 m/s.

Dabei ist r der Erdradius am Äquator und T die Umlaufzeit der Erde um sich selbst.

Vergeht für einen ruhenden Menschen die Zeit t, dann vergeht nach der speziellen Relativitätstheorie von Einstein
für einen Menschen am Äquator aufgrund der Geschwindigkeit v nur die Zeit t1 (c = Lichtgeschwindigkeit):

t1 = t · Wurzel (1 – v2 / c2)
t1 = t · Wurzel (1 – (465 m/s)2 / (299.792.458 m/s)2)
t1 = t · (1 – 1,2029·10-12) = t – t · 1,2029·10-12

Pro Tag (86.400 Sekunden) sind das für einen Menschen am Äquator 1,2029·10-12 · 86.400 s = 0,000.000.104 Sekunden
= 104 Milliardstel Sekunden weniger als für einen ruhenden Menschen.

Der zweite Effekt ist die Erdgravitation. Ein Mensch auf der Erdoberfläche befindet sich ja im Gravitationsfeld der Erde.

Vergeht für einen Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet, die Zeit t, dann vergeht nach der allgemeinen
Relativitätstheorie von Einstein für einen Menschen am Äquator aufgrund der Gravitation nur die Zeit t2:

t2 = t · (1 – G · M / (r · c2))
t2 = t · (1 – 6,6726·10-11 m3/(kg · s2) · 5,9736·1024 kg / (6.378.000 m · (299.792.458 m/s)2))
t2 = t · (1 – 6,95353·10-10) = t – t · 6,95353·10-10

Dabei ist G die Gravitationskonstante und M die Erdmasse.

Pro Tag (86.400 Sekunden) sind das für einen Menschen am Äquator im Gravitationsfeld 6,95353·10-10 · 86.400 s
= 0,000.060.078 Sekunden = 60.078 Milliardstel Sekunden weniger als für einen Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet.

Nebenbei bemerkt summiert sich diese Zeitverkürzung seit der Entstehung der Erde von vor 4,5 Milliarden Jahren bis heute
auf den Wert von 6,95353·10-10 · 4.500.000.000 Jahre = 3,13 Jahre.



Insgesamt vergehen also für einen Menschen am Äquator pro Tag 0,000.000.104 s + 0,000.060.078 s = 0,000.062.182 Sekunden
= 60.182 Milliardstel Sekunden weniger als für einen ruhenden Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet.



Zeitdilatation im Flugzeug

Angenommen, ein Flugzeug fliege entlang des Äquators in 10 km Höhe mit einer Geschwindigkeit von 900 km/h,
einmal von West nach Ost und einmal von Ost nach West. Vergeht für einen Passagier an Bord die Zeit langsamer
oder schneller als für einen Menschen auf der Erde am Äquator?

Flug von West nach Ost

Das Flugzeug fliegt in diesem Falle also in Richtung der Erdrotation. Deshalb beträgt seine Geschwindigkeit v relativ zur ruhenden Erde:

v = 465 m/s + 900 km/h = 465 m/s + 250 m/s = 715 m/s

Vergeht für einen ruhenden Menschen die Zeit t, dann vergeht nach der speziellen Relativitätstheorie von Einstein
für einen Passagier an Bord des Flugzeugs aufgrund der Geschwindigkeit nur die Zeit t1:

t1 = t · Wurzel (1 – v2 / c2)
t1 = t · Wurzel (1 – (715 m/s)2 / (299.792.458 m/s)2)
t1 = t · (1 – 2,8441·10-12) = t – t · 2,8441·10-12

Pro Tag (86.400 Sekunden) vergehen also für einen Passagier an Bord 2,8441·10-12 · 86.400 s = 0,000.000.246 Sekunden
= 246 Milliardstel Sekunden weniger als für einen ruhenden Menschen.

Vergeht für einen Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet, die Zeit t, dann vergeht nach der allgemeinen Relativitätstheorie
von Einstein für einen Flugpassagier in h = 10 Kilometer Höhe aufgrund der Gravitation nur die Zeit t2:

t2 = t · (1 – G · M / ((r + h) · c2))
t2 = t · (1 – 6,6726·10-11 m3/(kg · s2) · 5,9736·1024 kg / ((6.378.000 + 10.000) m · (299.792.458 m/s)2))
t2 = t · (1 – 6,94264·10-10) = t – t · 6,94264·10-10

Pro Tag (86.400 Sekunden) vergehen also für einen Passagier an Bord 6,94264·10-10 · 86.400 Sekunden = 0,000.059.984 Sekunden
= 59.984 Milliardstel Sekunden weniger als für einen Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet.


Insgesamt vergehen also für einen Passagier an Bord des Flugzeugs 0,000.000.246 s + 0,000.059.984 s = 0,000.060.230 Sekunden
= 60.230 Milliardstel Sekunden weniger als für einen ruhenden Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet.

Im Vergleich zu einem Menschen auf der Erde am Äquator vergehen demnach für einen Passagier im Flugzeug pro Tag
0,000.060.230 s – 0,000.060.182 s = 0,000.000.048 Sekunden = 48 Milliardstel Sekunden weniger Zeit.

Bei einer Geschwindigkeit von 900 km/h und einer Flughöhe von 10 km braucht ein Flugzeug 1,858 Tage, um die Erde entlang des Äquators
einmal zu umrunden. In dieser Zeit vergehen deshalb für den Passagier 1,858 · 48 Milliardstel Sekunden = 89 Milliardstel Sekunden weniger Zeit.
Er altert also um 89 Milliardstel Sekunden weniger als ein Mensch auf der Erde am Äquator.



Flug von Ost nach West

Das Flugzeug fliegt in diesem Falle also entgegen der Richtung der Erdrotation. Deshalb beträgt seine Geschwindigkeit v relativ zur ruhenden Erde:

v = 465 m/s – 900 km/h = 465 m/s – 250 m/s = 215 m/s

Vergeht für einen ruhenden Menschen die Zeit t, dann vergeht nach der speziellen Relativitätstheorie von Einstein
für einen Passagier an Bord des Flugzeugs aufgrund der Geschwindigkeit nur die Zeit t1:

t1 = t · Wurzel (1 – v2 / c2)
t1 = t · Wurzel (1 – (215 m/s)2 / (299.792.458 m/s)2)
t1 = t · (1 – 2,5716·10-13) = t – t · 2,5716·10-12

Pro Tag (86.400 Sekunden) vergehen also für einen Passagier an Bord 2,5716·10-13 · 86.400 s = 0,000.000.022 Sekunden
= 22 Milliardstel Sekunden weniger als für einen ruhenden Menschen.

Durch die Flughöhe von 10 Kilometern vergehen nach der allgemeinen Relativitätstheorie von Einstein pro Tag für einen Flugpassagier wieder
die oben genannten 59.984 Milliardstel Sekunden weniger im Vergleich zu einem Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet.


Insgesamt vergehen also für einen Passagier an Bord des Flugzeugs 0,000.000.022 s + 0,000.059.984 s = 0,000.060.006 Sekunden
= 60.006 Milliardstel Sekunden weniger als für einen ruhenden Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet.

Im Vergleich zu einem Menschen auf der Erde am Äquator vergehen also für einen Passagier im Flugzeug pro Tag
0,000.060.182 s – 0,000.060.006 s = 0,000.000.176 Sekunden = 176 Milliardstel Sekunden mehr Zeit.

Bei einer Geschwindigkeit von 900 km/h und einer Flughöhe von 10 Kilometern braucht ein Flugzeug 1,858 Tage, um die Erde entlang des Äquators
einmal zu umrunden. In dieser Zeit vergehen deshalb für den Passagier 1,858 · 176 Milliardstel Sekunden = 327 Milliardstel Sekunden mehr Zeit.
Er altert also um 327 Milliardstel Sekunden mehr als ein Mensch auf der Erde am Äquator.



Zeitdilatation auf der Internationalen Raumstation (ISS)

Die Internationale Raumstation kreist in einer Höhe von etwa 400 km (über der Erdoberfläche) und mit einer Geschwindigkeit von etwa 7669 m/s
um die Erde. Wie lange müsste sich ein Mensch an Bord der ISS aufhalten, um eine Sekunde weniger zu altern als ein Mensch am Äquator?

Vergeht für einen ruhenden Menschen die Zeit t, dann vergeht nach der speziellen Relativitätstheorie von Einstein für einen Menschen
an Bord der ISS aufgrund der Geschwindigkeit nur die Zeit t1:

t1 = t · Wurzel (1 – v2 / c2)
t1 = t · Wurzel (1 – (7669 m/s)2 / (299.792.458 m/s)2)
t1 = t · (1 – 3,27280·10-10) = t – t · 3,27280·10-10

Pro Tag (86.400 Sekunden) vergehen also für einen Menschen an Bord der ISS 3,27280·10-10 · 86.400 s = 0,000.028.267 Sekunden
= 28.267 Milliardstel Sekunden weniger als für einen ruhenden Menschen.

Vergeht für einen Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet, die Zeit t, dann vergeht nach der allgemeinen
Relativitätstheorie von Einstein für einen Menschen in h = 400 Kilometern Höhe aufgrund der Gravitation nur die Zeit t2:

t2 = t · (1 – G · M / ((r + h) · c2))
t2 = t · (1 – 6,6726·10-11 m3/(kg · s2) · 5,9736·1024 kg / ((6.378.000 + 400.000) m · (299.792.458 m/s)2))
t2 = t · (1 – 6,54317·10-10) = t – t · 6,54317·10-10

Pro Tag (86.400 Sekunden) vergehen also für einen Menschen an Bord der ISS 6.54317·10-10 · 86.400 Sekunden = 0,000.056.533 Sekunden
= 56.533 Milliardstel Sekunden weniger als für einen Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet.


Insgesamt vergehen also für einen Menschen an Bord der ISS pro Tag 0,000.028.267 s + 0,000.056.533 s = 0,000.084.800 Sekunden
= 84.800 Milliardstel Sekunden weniger als für einen ruhenden Menschen, der sich in keinem Gravitationsfeld befindet.

Im Vergleich zu einem Menschen auf der Erde am Äquator vergehen demnach für einen Menschen auf der ISS pro Tag
0,000.084.800 s – 0,000.060.182 s = 0,000.024.618 Sekunden = 24.618 Milliardstel Sekunden weniger Zeit.
Pro 40.621 Tage (etwa 111,2 Jahre) wären das dann 1 Sekunde.

Je weiter entfernt ein Raumschiff um die Erde kreist, desto geringer wird die Zeitersparnis. In einer Höhe von etwa 3170 Kilometern über dem Äquator
vergeht für einen Menschen in einem die Erde umkreisenden Raumschiff die Zeit genauso schnell wie für einen Menschen am Äquator.
Bewegt sich das Raumschiff auf einer noch weiter entfernten Kreisbahn um die Erde, vergeht für einen Menschen an Bord die Zeit sogar
schneller als für einen Menschen am Äquator!



Zeitdilatation für einen Satelliten auf einer kreisförmigen Bahn um die Erde

Die Zeitverkürzung im Vergleich zu einem relativ zur Erde ruhenden Punkt im schwerelosen Raum beträgt

aufgrund des Gravitationsfeldes der Erde:

delta t1 = t · G · M / (r · c2)

aufgrund der Geschwindigkeit des Satelliten auf seiner Kreisbahn:

delta t2 = t · (1 – Wurzel(1 – v2 / c2))
delta t2 = t · (1 – 1 + 1/2 · v2 / c2) = t · 1/2 · v2 / c2 = t · 1/2 · G · M / (r · c2) (für v << c)

K = G · M · m / r2
K = m · v2 / r

=> v2 / r = G · M / r2
=> v2 = G · M / r

G = Gravitationkonstante
M = Masse der Erde
r = Radius der Satellitenbahn
v = Geschwindigkeit des Satelliten
K = Gravitationskraft zwischen Erde und Satellit
m = Masse des Satelliten

delta t = delta t1 + delta t2 = 3/2 · t · G · M / (r · c2)



Copyright © Werner Brefeld (2008)