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Geburtstag am gleichen Tag

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Mathematik im Alltag, verblüffende Mathematik-Rätsel, Stochastik und Polyeder, irdisches und außerirdisches Leben


17. Wie viele Schüler müssen mindestens in einer Klasse sein, damit die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens zwei Schüler am gleichen Tag Geburtstag haben, größer ist, als dass alle an unterschiedlichen Tagen Geburtstag haben?

Für die Überlegungen wird ein normales Jahr mit n = 365 Tagen angenommen. Die Wahrscheinlichkeit, dass zwei bestimmte Schüler nicht am
gleichen Tag Geburtstag haben, beträgt ja 364/365, weil für den zweiten Schüler nur noch 364 von 365 Tagen als Geburtstag zur Verfügung stehen.
Ein Tag wird ja vom ersten Schüler belegt. Für den dritten Schüler bleiben demnach nur noch 363 von 365 Tagen zur Auswahl. Die Wahrscheinlichkeit,
dass keiner von diesen drei Schülern am gleichen Tag Geburtstag hat wie die beiden anderen Schüler, beträgt also (364/365) · (363/365).
Bei k Schüler beträgt dann die Wahrscheinlichkeit, dass alle an verschiedenen Tagen Geburtstag haben:

(364/365) · (363/365) · (362/365) · ... · ((365 – k + 1)/365) = (n! / (n–k)!) / nk

Für die gesuchte umgekehrte Bedingung, dass also mindestens zwei Schüler am gleichen Tag Geburtstag haben,
beträgt dann die Wahrscheinlichkeit W:

W = 1 – (364/365) · (363/365) · (362/365) · ... · ((365 – k + 1)/365) = 1 – (n! / (n–k)!) / nk

Diese Formel gilt nur, solange die Anzahl k der Schüler höchstens gleich der Anzahl n der Tage ist. Ist k größer als n,
gibt es notwenigerweise immer mindestens einen Tag, an dem mindestens zwei Schüler Geburtstag haben.
Die Wahrscheinlichkeit W ist in diesen Fällen also immer gleich 100%.

Bei k = 22 Schülern ist die Wahrscheinlichkeit W dann:

W = 1 – (364/365) · (363/365) · (362/365) · ... · (344/365) = 47,57%

und bei k = 23 Schülern:

W = 1 – (364/365) · (363/365) · (362/365) · ... · (343/365) = 50,73%.

Es müssen also mindestens 23 Schüler in der Klasse sein, damit die Wahrscheinlichkeit für das Zusammentreffen von Geburtstagen mehr als 50% beträgt.

Diese Aussage gilt natürlich nur dann, wenn die Geburtstage der Schüler zufällig über das Jahr verteilt sind.
Die Berechnung ist zwar exakt, aber zur Bestimmung der Anzahl der Schüler etwas umständlich.
Aber es gibt eine Näherungsformel, die direkt für eine Wahrscheinlichkeit W = 50% bei n Tagen die Anzahl k der Schüler berechnet.
Soll W gleich 50% oder 0,5 sein, dann gilt ja:

1 – (n! / (n–k)!) / nk = 0,5 oder (n! / (n–k)!) / nk = 0,5

Wenn k klein im Vergleich zu n ist, gilt in guter Näherung:

(n! / (n–k)!) / nk = (n – (k–1)/2)k / nk = (1 – (k–1)/(2·n))k

Also: (1 – (k–1)/(2·n))k = 0,5

Dabei ist n – (k–1)/2 das arithmetische Mittel der Faktoren, aus denen n!/(n–k)! besteht. Beide Seiten logarithmiert ergibt:

k · ln(1 – (k–1)/(2·n)) = ln(0,5) = – ln(2)

Und weil ln(1 – x) ungefähr gleich – x ist für x klein gegen 1, führt diese zweite Näherung zu:

k · (– (k–1)/(2·n)) = – k · (k–1) / (2·n) = – ln(2)

k · (k–1) = 2·n · ln(2)

k = 1/2 + √(1/4 + 2·n · ln(2))

Schon für dieses Rätsel (n = 365) liefert die Näherungsformel das richtige Ergebnis: k = 22,999943.

Da die Anzahl der Schüler ganzzahlig sein muss und die Wahrscheinlichkeit W gerade eben oberhalb von 50% liegen soll,
kommt man hier also auch auf 23 Schüler.

Was ist verblüffend an diesem Mathematik-Rätsel? Da der mittlere Abstand zwischen zwei Geburtstagen mehr als zwei Wochen beträgt,
glauben viele intuitiv, dass die Wahrscheinlichkeit für zwei Geburtstage am gleichen Tag nur sehr gering sein könne.
Die menschliche Intuition hält das Aufeinanderfolgen von zufälligen Ereignissen für wesentlich gleichmäßiger als es tatsächlich der Fall ist.


Weitere interessante Geburtstagsprobleme findet man auf der Web-Seite mit den Stochastik-Formeln (Beispiele 13 und 23).
Hier geht es um die Wahrscheinlichkeit, dass genau zwei Kinder am gleichen Tag Geburtstag haben, und um den kleinsten mittleren Abstand
zwischen zwei Geburtstagen.


In gleicher Weise wie oben kann man die Frage beantworten, nach wie vielen Ziehungen bei Lotto 6 aus 49
die Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal größer als 50% ist, dass mindestens zweimal die gleichen 6 Zahlen gezogen worden sind.


n ist hier nicht die Anzahl der Tage, sondern die Anzahl der verschiedenen Möglichkeiten, 6 aus 49 Zahlen zu ziehen.
Da es n = 13 983 816 Möglichkeiten gibt, ist die Anzahl der benötigten Lottoziehungen k nach der Näherungsformel:

k = 1/2 + √(1/4 + 2 · 13.983.816 · ln(2)) = 4403,42

Nach dieser Näherungsformel würde man also 4404 Lottoziehungen benötigen. Die exakte Rechnung ergibt tatsächlich auch 4404 Ziehungen
und die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter diesen Lottoziehungen mindestens zwei mit den gleichen 6 Zahlen befinden, beträgt 50,0128%.

Tatsächlich ist es seit 1955 in Deutschland bei Lotto 6 aus 49 schon zweimal vorgekommen,
dass zweimal die gleichen 6 Zahlen gezogen worden sind.

Am 20.12.1986 und am 21.06.1995 waren es die Zahlen 15, 25, 27, 30, 42, 48.
Am 27.05.1962 und am 08.01.2020 waren es die Zahlen 2, 3, 11, 25, 27, 35.

Bis zum 08.01.2020 einschließlich hatte es 5863 Lottoziehungen für Lotto 6 aus 49 gegeben.
Die Wahrscheinlichkeit für mindestens einmal zwei gleiche Ziehungen betrug zu diesem Zeitpunkt 70,74%.


Zum Schluss kann man sich sogar fragen, nach wie vielen Ziehungen die Wahrscheinlichkeit zum ersten Mal größer als 50% ist,
dass mindestens einmal in zwei direkt aufeinander folgenden Ziehungen die gleichen 6 Zahlen gezogen worden sind.
Die Wahrscheinlichkeit, dass in zwei direkt aufeinander folgenden Ziehungen nicht die gleichen 6 Zahlen gezogen werden,
beträgt (1 – 1/13.983.816) oder 13.983.815/13.983.816. Nach k Ziehungen sinkt diese Wahrscheinlichkeit auf (1 – 1/13.983.816)k.
Wenn dieser Wert auf 50% gesunken ist, dann beträgt die Wahrscheinlichkeit für mindestens zwei direkt aufeinander folgende
gleiche Ziehungen ebenfalls 50% und es gilt:

(1 – 1/13.983.816)k = 50% = 0,5 oder k · ln(1 – 1/13.983.816) = ln(0,5)

Für k ergibt sich dann: k = ln(0,5) / ln(1 – 1/13.983.816) = 9.692.842

In sehr guter Näherung gilt: k = –13.983.816 · ln(0,5) = 13.983.816 · ln(2) = 9.692.843

Erst nach etwa 9,7 Millionen Ziehungen (das entspricht etwa 93.000 Jahren) steigt die Wahrscheinlichkeit über 50%, dass es mindestens einmal
zwei direkt aufeinander folgende Ziehungen mit den gleichen 6 Zahlen gegeben hat. Dieser Fall ist in Deutschland noch nicht aufgetreten.


Copyright © Werner Brefeld (2005)